Mittwoch, 9. April 2014

9. April 1945: Abgabe von Waffen, Munition und Radio-Apparaten


Die folgende Berichterstattung notierte Dr. Richard Mantler zwar zum 9. April 1945, es scheint sich jedoch um eine Zusammenschrift von Ereignisse zu handeln, die sich über mehrere Wochen erstreckten. Wir erhalten dadurch ein wertvolles Stimmungsbild der Zeit.


Ankündigung des Oberbürgermeisters, Stadtarchiv Speyer, 237-2, Nr.13.


Am Montag, den 9. April, waren alle Rundfunkgeräte abzuliefern. Sie wurden im Sitzungssaal und Trausaal des Stadthauses hoch aufgestapelt, Truppenangehörige – auch solche, die nicht mehr in Speyer lagen, fanden sich ein, suchten die besten heraus und fuhren sie ab trotz des Verbots der Militärregierung, das ihnen von städt. Organen mündlich und schriftlich eröffnet wurde. Der Rest, zumeist leere Gehäuse, wurde gegen Ende Juni wieder an die Bevölkerung nach und nach ausgegeben, wobei Anhänger der Kommunisten scharf darüber wachten, dass ja kein „Nazi“ einen Apparat erhalte. Bevorzugt wurden selbstverständlich Antifaschisten, alte und blinde Leute und Schwerkriegsbeschädigte. Die Polizeigewalt geriet wesentlich in Hand von Linksradikalen. Das führte vor allem beim Beschlagnahmen von Fahrrädern für die Besatzung zu viel Klagen. Auch setzten sie sich im Wohnungsamt fest, beschlagnahmten Wohnungen und Möbel, die sie weisungsgemäss Besatzungsangehörigen, aber auch ihnen nahestehenden Antifaschisten zur Verfügung stellen. Monatelang fuhren die Pritschenwagen mit Möbelstücken durch die Strassen. Schwarze Listen wurden angefertigt und kein Mensch fühlte sich sicher, ob er nicht auch darin stehe. Im grossem Masstab wurden Verhaftungen vorgenommen und die Naziverdächtigen nach Bruchsal in die Räume des Zuchthauses oder nach Landau verbracht, wo sie in einer Art KZ-Haft gehalten wurden. Später wurden viele wieder entlassen, andere kamen in die Lager nach Wörth. Begreiflicherweise ging es bei alledem nicht immer ohne Missgriffe zu, die Stimmung in der Armee war infolge der Erlebnisse in ihrer Heimat vielfach noch recht erbost und das machte sich irgendwie geltend. Viel Unruhe brachte nächtliches Schiessen in den Strassen der Stadt, das aber nicht so sehr eine Bedrohung sein sollte, als einen Unfug darstellte.


Beschlagnahmt wurde in dieser Zeit viel, was in Lagern noch vorhanden war, ausgeräumt, so in den Brauereien, im Schlachthof, in der Kurpfalzsektkellerei, in den Zigarrenfabriken u.s.f. Erst als die Militärregierung die Aufstellung von Militärposten vor besonders gefährdeten Gebäulichkeiten veranlasste, wurde es mählich besser. Bei der Stadtverwaltung wurde ein Requisitionsamt eingerichtet, das für die Erledigung der Besatzungsaufträge zu sorgen hatte, Verpflegung, Zivilanzüge, Matratzen, Möbel, Teller und Bestecke, Tischdecken, Aschenbecher, Gesellschaftsspiele, Bettücher, Klubsessel, Teppiche, Handtücher, Rasierapparate, Nachttöpfe usw., kurzum alle Bedürfnisse des häuslichen Leben in Büros, Privatunterkünften und Heimen aller Art. Viele, sehr viele harte Eingriffe waren dabei unvermeidlich.

Gleich nach dem Bau der Schiffbrücke wurde durch die Franzosen ein „ Centre d´aceueil des prisonniers et déporteés liberés par la lére Armee Francaise“ eröffnet mit Auffang- und Durchgangslagern im Gymnasium, in der Realschule, im Regierungsgebäude und in der Staatserziehungsanstalt, die alle frisch gestrichen und gut ausgestattet werden mussten mit Betten, Gesellschaftsräumen usw. auch mit Schildchen in blau-weiss-roter Beschriftung, Fahnen und Wimpeln, begrüssenden Inschriften, lautsprechende Radios u.s.f. Dies und die Verpflegung erforderten fortlaufend hohe Geldaufwendungen. Zehntausende wurden im Laufe von Monaten in diesen Durchgangslagern abgefertigt. Zu ihrem Empfang war die neue - übrigens nicht ausfahrbare - Schiffbrücke mit blau-weiss-roten Fahnen behängt, das ganze Rheinufer aber mit Stacheldraht abgesperrt vom alten Hafen bis zur neuen Brücke und von Posten bewacht. Diese Schiffbrücke wurde der allmählich einsetzenden Schifffahrt wegen am 14. Juli wieder abgefahren, so dass die Rheinhäuser Fähre die einzige Verbindung Speyers mit dem Überrheinischen war. Aber nur für Leute, die einen Laisser-passer bekamen.

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