Ein von mir erbetener
Bericht des Schriftleiters
Dr. Mandler in Speyer
über die Zeit kurz vor der Be-
setzung Speyers und
nachher bis Mitte 1946 (mit
einigen kleinen
Änderungen und Zusätzen von mir)
In den unwahrscheinlich schönen und warmen Frühlingstagen
Ende März 1945 herrschte in Speyer ein eigentümliches Gemisch von Gefühlen. Der mit Flüchtlingen durchsetzte Rückzug des Westheeres über den Rhein, das Absetzen
der Ämter und Behörden in das noch für sicher gehaltene Gebiet Deutschlands,
die Flucht schliesslich der nationalsozialistisch gläubigen Bevölkerungsteile
riefen Aufgeregtheit und Verzweiflungsstimmung
hervor. Man fühlte sich aufgegeben. Die beruhigten Parolen der
Gaupropagandaleitung im Drahtfunk hatten keine Wirkung mehr. Die Sprache der
Tatsachen und der ausländischen Nachrichtensendung im Rundfunk war zu deutlich.
Der Zusammenbruch nahte mit
Riesenschriften. Kein Wunderglaube konnte ihn aufhalten. Die Kriegsuhr stand
auf fünf Minuten vor zwölf. In die Stimmung mischte sich die Spannung auf den
Ablauf der nächsten Tage und die zage Hoffnung, dass Speyer nicht in dem Strudel der allgemeinen Vernichtung untergehen möge. Man hoffte, alles
Spätere leichter ertragen zu können, wenn Speyer nicht im letzten Augenblick
einen Bomenangriff oder dem Artilleriebeschuss bei einer Verteidigung, die doch
nach Lage der Dinge nutzlos sein musste, zum Opfer fallen würde.
Es hiess, der Brückenkopf werde verteidigt, und alle Anzeichen deuteten darauf hin. Am Sonntag, den 18. März 1945, erschien die letzte Zeitung (NSV). Der feldgraue Strom wurde in dieser letzten Woche immer dichter. Er wälzte sich schließlich Tag und Nacht in zwei Marchsäulen durch Speyer über den Rhein, eine von Ludwigshafen her durch die Johannesgasse-Grosse Himmelsgasse, die andere von Neustadt her durch die Hauptstraße. Am Domplatz trafen sie aufeinander und strebten zusammen der Brücke zu über den Rhein. Dazwischen auch viele Zivilisten.
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